90 Jahre FVB

Folgende Texte und Aufsätze stammen aus der Festschrift, die zum zum 90-jährigen Bestehen des Vereins herausgegeben wurde.

Hier wird vorgelebt, wie unsere Welt aussehen könnte…

„Ein kleiner Verein in einer großen Stadt“. Unter diesem Motto hat sich der Biebricher Fußball-Verein 02 – mit einem für ihn typischen Understatement – anläßlich seines 90jährigen Bestehens einige lichtvolle Ausführungen von mir erbeten.

Diesem Wunsch komme ich gerne nach, zumal ich – nicht nur aus patriotischer Biebricher Sicht – der Auffassung bin, daß dieser Verein, der sich ausschließlich dem Fußball verschrieben hat, über die Grenzen der Landeshauptstadt Wiesbaden Vorbildfunktion hat.

Die Mitgliederzahl ist zum 1. Januar 1992 mit 538 recht beachtlich, auch wenn der Frauenanteil (für Fußballvereine allerdings nicht ungewöhnlich) mit sechs relativ niedrig und sicherlich verbesserungswürdig ist.

Herausragend ist – und das gilt über den Fußballkreis Wiesbaden hinaus – die Jugendarbeit dieses Vereins. Nach der aktuellen Bestandsmeldung nehmen insgesamt 14 Mannschaften von der F- bis zur A-Jugend am regelmäßigen Spielbetrieb teil. Wer sportliche Jugendarbeit mit über 230 Jugendlichen realistisch einschätzen kann, weiß, mit welchem Aufwand an ehrenamtlichen Kräften (Übungsleiter, Betreuer) eine derart umfangreiche Arbeit verbunden ist. Überragend ist dabei die vorbildliche Integration der zahlreichen Jugendlichen unterschiedlicher Nationalitäten (Türken, Griechen, Italiener, Spanier usw.), deren Anteil bei über 60 Prozent liegt. Hier wird täglich echter Gemeinschaftssinn praktiziert und den Erwachsenen „vorgelebt“, wie unsere Welt aussehen könnte, wenn alle von dieser vorurteilsfreien Einstellung und diesem festen Willen zur Zusammenarbeit beseelt wären. Interessenten kann ich deshalb nur dringend empfehlen, sich auf der Dyckerhoff-Sportanlage die Nachwuchsarbeit des BFV 02 einmal vor Ortnäher anzusehen.

Ein glanzvoller Höhepunkt der Jugendarbeit wird zweifellos auch 1992 wieder das vom 29. bis 31. Mai stattfindende und hochkarätig besetzte C-Jugend-Turnier mit neun Mannschaften aus Ungarn, Belgien, Österreich, England, der Schweiz und der CSFR sein, zu denen die Biebricher seit vielen Jahren beste freundschaftliche Kontakte unterhalten.

Über die lobenswerte Jugendarbeit, die heute ausnahmsweise einmal vorrangig genannt sein soll, darf jedoch die Leistung der Aktiven, insbesondere der ersten Mannschaft, keineswegs vergessen werden. Es ist schon erstaunlich, wie gut sich der Biebricher Fußball-Verein 02 – bei den heute allseits bekannten finanziellen Rahmenbedingungen im Amateurfußball – in seiner Spielklsasse, immerhin der Landesliga, seit Jahren behauptet. Häufig in der Spitzengruppe, zumindestens aber ohne akute Abstiegssorgen im gesicherten Mittelfeld zu spielen, ist aller Anerkennung wert. Mannschaften, die ohne ausgesprochene „Stars“ mit geschlossener Gemeinschaftsleistung  überzeugen, sind heutzutage ohnehin nicht unbedingt der Nornalfall.

Dies ist selbstverständlich aller nur möglich in einem intakten Umfeld mit einem engagierten Vorstand, zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sowie einem Gemeinschaftsleben, das weit über das Interesse am runden Leder hinausgeht. Zweifellos ist das mit großen Eigenleistungen, praktisch ohne öffentlichen Zuschüße, errichtete Vereinsheim Mittelpunkt des gesamten sportlichen und gesellschaftlichen Lebens mit vielen öffentlichen und auch privaten Veranstaltungen.

Hier liegt eine wesentliche Quelle der Vitalität und Leistungsfähigkeit dieses Vereins, dem die Erfolge nicht von selbst in den Schoß fallen und der sich – obwohl dies heute keineswegs überall populär ist – in erster Linie durch eigene Initiativen und Ideen immer selbst geholfen hat.

Deshalb verwundert es auch nicht, daß viele Männer und Frauen, aber auch kleinere und größere Firmen, sich einem solchen Verein nicht nur im Jubiläumsjahr besonders verbunden fühlen und ihn im Freundeskreis der Blauen tatkräftig und von Herzen unterstützen.

Der FV Biebrich 02 kann zum 90jährigen Bestehen mit seit einem Jahrzehnt in wesentlichen Funktionen unverändertem Vorstand  und einem vorzüglichen Umfeld zielstrebig und gelassen den 100. Geburtstag ansteuern. Die „Blauen“ sind und bleiben eine bedeutende und gestaltende Grundfarbe in der bunten Sportpalette unserer Stadt. Sie stehen – auch und gerade als kleiner Verein – für besondere Qualität in unserem Wiesbadener Sport. In diesem Sinne gilt dem Jubilar höchste Anerkennung und zugleich die herzliche Aufforderung: „Auf Ihr Blauen, macht weiter so!!“

Achim Exner

Vielerorts wird von Integration gesprochen, hier wird sie praktiziert

Seit nunmehr 90 Jahren rollt beim Biebricher Fußball-Verein 1902 die von Millionen Fußballfans so beliebte Lederkugel.

Der Ball selbst hat in den zurückliegenden neun Jahrzehnten zwar sein Form nicht verändert und er wird auch immer noch mit dem gleichen – wenngleich nicht mehr so reinen – „Gasgemisch Luft“ spielfähig gemacht, doch ansonsten ist er nicht wiederzuerkennen!  Zigfach genäht, wasserundurchlässig, „noch runder“; einfach: vom Feinsten!

Und wie steht es um diejenigen, die heute auf Torjagd gehen? Stecken noch die gleichen fußballbegeisterten Ballkünstler in den Trikots wie um die Jahrhundertwende, als das Fußballspiel aus England zu uns kam?

Waren es damals überwiegend junge Burschen, die der Beruf tagtäglich in enge Werkshallen und Werkstätten zwängte, die Begeisterung an dem Mannschaftssport Fußball fanden, so sind heute alle Berufsgruppen und seit geraumer Zeit auch Mädchen und junge Frauen auf dem Fußballfeld anzutreffen.

Etwas fällt besonders auf: der Fußball übt heute eine hohe Anziehungskraft auf ausländische Kinder aus, was in großem Maße bei Biebrich 02 deutlich wird. 60 Prozent der Jugendspieler sind Türken, Griechen, Italiener, Spanier und andere Ausländer.

Liegt es nun daran, daß die Eltern der jungen Fußballkicker in den großen Industriebetrieben Biebrichs arbeiten? Oder hat dies Ursache in der vorbildlichen Jugendarbeit, die bei Biebrich 02 seit eh und je geleistet wird? Ich denke, beides sind maßgebende Faktoren!

Der FV Biebrich 02 nimmt als Fußballverein im „Arbeiter-Stadtteil“ Biebrich eine wichtige Rolle zur Integration ausländischer Mitbürger ein. Vielerorts wird von Integration gesprochen. Beim Biebricher Fußballverein 02 wird sie in vorbildlicher Weise praktiziert.

Junge Menschen, egal ob ihre Muttersprache nun türkisch, griechisch oder italienisch ist, finden sich im Spiel um Punkte und Tore, schmelzen zu einen Gemeinschaft zusammen! Freundschaften entstehen! Und dies nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch an der Außenlinie, wo stolze Väter und Mütter die Daumen drücken und mit der Mannschaft mitfiebern.

Fußball wird gern als die „schönste Nebensache der Welt“ bezeichnet. Ich hoffe, daß sich der FV Biebrich 02 auch zukünftig so engagiert dieser in unserem Stadtbezirk so wichtigen „Nebensache“ annimmt; die Verantwortlichen der Stadt wissen dieses soziale Engagement zu schätzen.

Dieter Löber

Eine Gesundheit, die mehr bedeutet als das Freisein von Krankheit

Über die Bedeutung der Jugendarbeit für den Sportverein und sein Umfeld

Der Biebricher Fußball-Verein 02 feiert sein 90jähriges Bestehen. Zu diesem Jubiläum gratuliere ich dem Verein und allen mit ihm verbundenen Aktiven sehr herzlich.

Gleichzeitig danke ich auch den Sportlern der älteren Generationen, die mit ihrem sportlichen Engagement in der Vergangenheit durch ihr Vorbild einen erheblichen Beitrag zu dem geleistet haben, was der Biebricher Fußballverein heute ist: eine erfolgreiche sportliche Gemeinschaft, in der Jung und Alt ihren Platz haben.

Dieses Miteinander der Generationen macht aber vor allem eines deutlich: das erfahrene ältere Sportler einen wichtigen Motivationfaktor für die jüngere Generation darstellen und andererseits, daß auch künftige sportliche Erfolge wesentlich von einer gezielten Betreuung und Förderung des sportlichen Nachwuchses abhängen. In einer Gemeinschaft,  die einem gemeinsamen sportlichen Ziel verpflichtet ist, können junge Menschen sozusagen spielend für ihr Leben lernen.

Sportliche Jugendarbeit ist Jugendpflege und Jugendfürsorge im weitesten Sinne. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Vereinsarbeit. Kinder und Jugendliche finden hier Spiel, Bewegung, Gemeinschaft sowie eine Förderung ihrere sportlichen Anlagen und Fähigkeiten. Die sportliche Jugendarbeit belebt die Vereinsarbeit insgesamt und wirkt verbindend zwischen Erwachsenen und Jugendlichen Vereinsmitgliedern. Sportliche Jugendarbeit ist für mich der politischen, kulturellen und sozialen Jugendbildung gleichgestellt, da wesentliche Inhalte hier ebenso vermittelt werden.

Sport ist ein wichtiger Bestandteil in unserer Gesellschaft. Er integriert und schafft neue Freunde, unabhängig von Mentalität und Heimatland, unabhängig von Religion und sozialer Herkunft; er spornt an und setzt den Schulsport fort.

Perspektive für die Zukunft bedeutet für mich, daß möglichst viele Menschen durch Bewegung, Spiel und Sport mehr Selbstbestätigung und innere Freiheit finden und damit gleichsam einen Weg hin zu mehr Menschlichkeit und Lebensqualität beschreiten. Denn ein durch körperliche Aktivität gekennzeichnetes Wohlbefinden ist eine Gesundheit, die mehr bedeutet, als das Freisein von Krankheit.

Der Sport hat eine zentrale Bedeutung in unserem Leben. Er stellt nicht nur für den Einzelnen die Möglichkeit einer sinnvollen Freizeitgestaltung dar, sondern leistet im großen Rahmen einen Beitrag zum Erhalt kultureller Vielfalt auf dieser Welt, die sich von Tendenzen der Gleichmacherei, der Konzentration und der Vereinheitlichung wohltuend abhebt und dem Menschen damit eine Chance zu ganz persönlicher Kreativität bietet.

In diesem Sinne wünsche ich dem Biebricher Fußball-Verein für seine weitere sportliche Zukunft viel Erfolg.

Hannelore Rönsch

Der Sport muss den sozialen Bedürfnissen gerecht werden

Der Landessportbund Hessen wird sich in den nächsten Jahren einer neuen „sozialen Offensive im Sport“ besonders intensiv zuwenden. Diesem Beschluß liegt die Besinnung auf alte Werte des Sports ebenso zugrunde wie die Orientierung an veränderten politischen, staatlichen und damit auch vielen sozialen Verhältnissen in Deutschland. Bestimmte Wandlungsprozesse innerhalb des Sports und gesellschaftspolitische Herausforderungen von außen – beispielsweise der Komplex Sport und Umwelt und soziale Probleme – wirken wegweisend. Der Sport kann sich nicht allein auf den Titel „die größte bürgerliche Vereiningung“ berufen. Er muß sein Program für die Zukunft gegenüber seinen Mitgliedern, der Öffentlichkeit, Staat und Politik bereithalten.

Dazu gehört auch eine massive Verstärkung des sozialen Engagements in unseren Vereinen und Verbänden. Wir müssen uns beispielsweise stärker den Aussiedlern, Asylanten, Behinderten, Kranken und sozial Schwachen zuwenden, um ihnen Sport in der Gemeinschaft auch als Lebenshilfe anzubieten. Gerade diese Gruppen sind bisher in unseren Vereinen in hohem Maße unterrepräsentiert.

Unsere Sportvereine müssen sich also weiter öffnen. Dazu bedarf es einer Ausweitung und Intensivierung unserer bewährten Sportprogramme und der Entwicklung neuer Angebote. Sie müssen nicht nur den sportlichen, sondern auch den sozialen Bedürfnissen aller Bürger gerecht werden.

Auch in dem zu erwartenden schärferen Wettbewerb mit anderen gesellschaftlichen Organisationen tun der Landessportbund und seine Vereine gut daran, die Integrationskraft und das Angebot einer sozialen Heimat auch für diejenigen, die bislang als Randgruppen unserer Gesellschaft bezeichnet werden, herauszustellen. Auch und gerade in einer Zeit wachsender Ausländerfeindlichkeit ist dies unsere Pflicht.

Der Biebricher Fußball-Verein 02 gilt uns dafür als herausragendes Beispiel.

Heinz Fallack

Die Unverzichtbarkeit des Ehrenamtes

Es gehört heute bei sehr vielen unserer Mitbürger zum normalen Verhalten bei Auftreten von kleinsten Problemen nach Verantwortlichen zu suchen, und wenn möglich nach dem Staat zu rufen. Ab Ende der 60iger Jahre hat sich eine Gesellschaft entwickelt, die von Lebensgier, Konsumdenken und Egoismus geprägt ist.

Es kann gar nicht hoch genug bewertet werden, daß es trotz dieser weitverbreiteten Einstellung noch Menschen gibt, die bereit sind, die ohne nach dem Geld zu fragen, in dieser und für diese Gesellschaft etwas zu tun. Ehrenamtlich tätig zu sein, hatte im Bewußtsein unserer Bürger immer einen hohen Stellenwert. Heute hat man sehr oft den Eindruck, daß ein großer Teil unserer Bevölkerung eher geneigt ist, ehrenamtlich Tätige als unverbesserliche Träumer zu belächeln und als Vereinsmeier abzuqualifizieren.

Wer bereit ist, den Blick auf das Vereinsleben, auf kirchliches Leben, kulturelles und soziales Engagement, auf Elternarbeit in Kindergärten und Schulen, Seniorenarbeit usw. zu heben, dem müßte eigentlich sehr schnell aufgehen, daß ohne ehrenamtlichen Einsatz all diese Aktivitäten zum Scheitern verurteilt wären.

Ich möchte nur, da wir als Verein selbst betroffen sind, die Jugendarbeit herausgreifen. Was müßte der Staat, die öffentliche Hand an Finanzmitteln aufwenden, um wie im Biebricher Fußball-Verein über 200 Jugendliche im Sport auszubilden und zu betreuen; den Aufwand für außersportliche Aktivitäten wie Auslandsfahrten nicht gerechnet.

Oder betrachten wir ehrenamtliche Arbeit im kirchlichen und sozialen Bereich, „Essen auf Rädern“, Betreuung älterer, hilfsbedürftiger Menschen, die Hilfsdienste oder die feiwilligen Feuerwehren. Täglich werden hier Leistungen erbracht, die ohne ehrenamtlich Tätige nicht bezahlbar wären.

Das Ehrenamt ist in unserer Gesellschaft unverzichtbar. Es muß verstärkt die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Ehrenämtern in der Bevölkerung hineingetragen werden.

Ein Ehrenamt auszuüben ist nicht nur Geben, sondern auch Nehmen. Sicherlich muß Einsatz, Engagement und Zeit aufgewendet werden. Die Arbeit mit Menschen unterschiedlichster Herkunft und Prägung, neue Bekannt- und Freundschaften, gemeinsame Freizeiterlebnisse, sich in der Gruppe bewegen und anpassen, Verständnis für unterschiedliche Meinungen entwickeln, sind wertvolle und bereichernde Faktoren für das eigene Leben.

Die vielen tausend ehrenamtlich Tätigen in unserem Staat sind gesellschaftlicher Stabilisierungsfaktor. Sie sind wichtiger Baustein auf dem Weg in eine tolerante und zukunftsbejahende Gesellschaft.

Das Ehrenamt hat auch weiter Zukunft.

Horst Klee

Biebrich 02 als Zuhause

In der reichen Mangelgesellschaft wie in der ärmer gewordenen Überflußgesellschaft

Wenn man sich Vereinsnamen betrachtet wie Schalke 04, Mainz 05, Kastel 06, Schierstein 08, Wattenscheid 09 usw., dann kommt man automatisch zu der Feststellung, daß der FV Biebrich 02 zu den ersten fußballspielenden Vereinen gehört hat und somit zu den Pionieren des deutschen Fußballs zu zählen ist.

Der Name „Biebricher Fußball-Verein 02“ bürgt für Qualität, heute wie gestern, denn 90 Jahre BFV 02 bedeuten für mich 90 Jahre Qualität im Fußball, natürlich immer im Rahmen vorhandener Möglichkeiten. Es ist keine Frage, daß ein Fußballverein neben dem Sport auch gesellschaftpolitische Aufgaben zu erfüllen hat, ebenso erzieherische Funktionen an der Basis, in der riesigen Jugendabteilung. In diesen Bereichen nimmt der BFV 02 nach meiner Einschätzung seit Jahrzehnten eine führende Rolle ein.

Wenn ich die 52 Jahre Revue passieren lasse, die ich der „02“ angehöre, dann kann ich aus Überzeugung sagen, daß mir mein Verein viel gegeben hat. Das fing an 1940, als wir mit der „Fähnleinmannschaft“ der 02 angegliedert waren und hat sich fortgesetzt speziell in den Jahren 1945 bis 1951, im Zeitalter von Not, Elend, Hunger und Armut. Ruinen des Bombenkrieges bildeten zu dieser Zeit auch in Wiesbaden die Dekoration für eine Mangelgesellschaft.

Mangelgesellschaft? Wer denkt dahin?: Der schreckliche Weltkrieg war vorbei. Wir jungen Typen standen am Anfang unseres Lebens. Wir waren reich an Idealen, Glauben und Hoffnung, an Kraft und Zuversicht. „Freundschaft“ hatte einen unheimlich hohen Stellenwert, war für uns ein Wort mit tiefer Bedeutung. In dieser Zeit war unser Verein, die „02“, neben dem Elternhaus praktisch unser „Zuhause“, wo wir uns fast täglich auf dem alten Dyckerhoffplatz oder im Vereinsheim, in der „Insel“,  danach im „Löwen“ beim Stuhlmann, nach dessen Abriß im „Frankfurter Hof“ beim Eichmann-Paul oder später in der „Turnhalle“ aufhielten. Unsere ersten Jugendspiele machten wir in selbstgenähten roten Trikots aus Fahnenstoff; wobei die 02-Näherinnen natürlich vorher die Hakenkreuze herausgeschnitten hatten. Die damaligen Jugendleiter und Jugendbetreuer der „02“ wie Heinz Kaiser, Jule Jung, Günther Seilberger und andere waren unsere Lehrmeister. Sie vermittelten uns Jugendspielern vor mehr als 40 Jahren wunderbare Faktoren wie Sportsgeist, Fairness, Achtung vor dem Gegner, Toleranz und Aufrichtigkeit; Tugenden, die mein ganzes Leben prägten, denn ich betrachte mich als jemand, der die Regeln achtet – die Regeln, die für den Sport wie für das Leben gelten. Ich habe die ethischen Werte meiner Fußball-Lehrzeit bei der „02“ nie vergessen und meinen Dank an die „02“ stets still und bescheiden in meinem Herzen getragen. Und ich konnte diese wertvollen Tugenden weitergeben über Jahrzehnte an viele, viele junge Trainer durch meine einflußreiche Tätigkeit in der Trainer-Fortbildung im DFB-Bereich und in Europa.

Heute 1992, Überflußgesellschaft: Kaufhäuser prall gefüllt, Autos oft vom Schnellsten, vieles nur vom Feinsten. Dennoch: Die Überflußgesellschaft offenbart gravierende Mangelerscheinungen, weil viele Ideale in der Versenkung verschwunden sind, das Leben innerlich ärmer geworden ist.

Ich gehöre noch nicht zu jenen Alten, die nur zurückblicken und deshalb nicht sehen, was auf sie zukommt. Ich schaue zurück, weil die Vergangenheit lehrende Wirkung hat. Deshalb freue ich mich, daß mit dem 1. FC Kaiserslautern 1991 wieder eine Mannschaft Deutscher Meister geworden ist, die speziell durch „Kameradschaft“ geprägt und stark gemacht wurde.

In der heutigen Überflußgesellschaft mit ethischen Mangelerscheinungen nimmt der Biebricher Fußball-Verein 02 eine wichtige und einflußreiche Position ein. In seiner riesigen Jugendabteilung mit sehr hohem Anteil an Ausländerkindern löst er mit Bravour bedeutungsvolle Aufgaben wie die Förderung zwischenmenschlicher Beziehungen und die Integration von Ausländerkindern in die einheimische Gesellschaft. Ein hohes Lob also für die vielen ehrenamtlichen Persönlichkeiten in der „02“, die für diese Aufgaben viel Freizeit opfern und persönliches Engagement investieren.

 Natürlich wird auch noch Fußball gespielt in der „02“. Und dies mit beachtlichem Erfolg. Ich empfinde die Landesliga als angemessene Klasse, vor allem auch, wenn man die heutigen finanziellen Aspekte im Spieler- und Vereinsbereich berücksichtigt.

Ich persönlich bewundere seit vielen Jahren die erfolgreiche Vereinspolitik, die Horst Klee mit seinen Mitarbeitern betreibt. Eine realitätsbezogene Vereinspolitik mit viel wirtschaftlicher Vernunft, aber dennoch mit sehenswertem sportlichen Erfolg. Man kann der „02“ nur gratulieren zu ihrem umsichtigen Vorstand unter der langjährigen Leitung des Kommunalpolitikers Horst Klee. Als Höhepunkt der soliden Vereinspolitik möchte ich die Schaffung des schmucken Vereinsheims bezeichnen, das als Kommunikationszentrum der vielen Mannschaften und Mitglieder dient, und das als Hort der großen Vereinsfamilie immer angesteuert werden kann, wenn man gute Freunde, alte Bekannte treffen will, so wie wir früher uns in der 02-Familie immer wohl gefühlt haben.

Somit schließt sich der Kreis. 90 Jahre hat die „02“ jetzt deutsche und hessische Fußballgeschichte mitgeschrieben. Schon in den 30iger Jahren gehörte Mittelstürmer Christel Kraus von den Blauen zum Herrberger-Kader der Nationalmannschaft. Gerd Klier war später Amateur-Nationalspieler, und der ganze Stolz aller 02er ist der Biebricher Bub Jürgen Grabowski, der 44mal das Trikot der A-Nationalmannschaft trug, mit der er 1974 Fußball-Weltmeister wurde.

Ich bin stolz darauf, Mitglied des Biebricher Fußball-Vereins 02 zu sein. Und, wenn ich bei meinen Streifzügen in Sachen Fußball durch Europa, in Athen, in Neuchatel, Wien, Istanbul, Madrid, Florenz, Prag, Bratislava, Göteborg, Kopenhagen, Puero de la Cruz, Luxemburg, Monte Carlo etc. gefragt werde, „wo hast du eigentlich Fußball gespielt?“, dann ist immer meine Antwort: „Bei Biebrich 02“ und ich füge stets mit Stolz hinzu: „Das ist der Stammverein von Weltmeister Jürgen Grabowski“!

Jetzt fängt für die „Blauen vom Rhein“ eine neue Dekade an. Für gewesene Erfolge gibt kaum einer etwas. Das heißt: Es müssen neue Anstrengungen gemacht werden, um alte Positionen zu halten, nach dem Motto: „Wenn man gut ist, muß man noch besser werden!“ Zu jeder Saison werden die Karten neu gemischt, und jeder Vereinsvorstand muß sehen, daß er zum rechten Zeitpunkt gute Karten in Händen hat. Beim FVB 02 wird sicherlich Vorrang behalten, die vorhandene, achtenswerte Position in der Landesliga zu stabilisieren, eher als neue Ziele in höheren Regionen anzustreben, die dauerhaft nur mit enormem finanziellen Aufwand zu halten wären.  Solidität und Seriosität auf Landesliga-Niveau sowie im Jugend-Bereich sollten gefragt bleiben. Ich habe dieserhalb großes Vertrauen in Horst Klee und sein leistungsfähiges Mitarbeiter-Team. Ich bin sicher, daß der BFV 02 auch in den kommenden zehn Jahren sein beachtliches, sportliches Leistungsniveau wird halten und seine bedeutsammen gesellschaftspolitischen Funktionen und seine wichtigen erzieherischen Aufgaben im Jugendbereich wird erfüllen können. Hierzu wünsche ich von Herzen optimale Erfolge als einer vom alten, echten Biebricher Rheinadel.

Lothar Meurer

Biebrich 02 war für mich ein Glücksfall

Fußball war mein Leben vom fünften, sechsten oder siebten bis zum 36. Lebensjahr. Fußball bestimmt mein Leben auch heute noch teilweise, aber es haben sich – natürlich – andere Dinge dazugesellt. Ich spiele mit anderen ehemaligen Nationalspielern in der Portas-Mannschaft, bin Pate beim DFB-Stützpunkttraining für 14- bis 16jährige Talente in der Sportschule Grünberg und sitze bei Eintracht Frankfurt im Verwaltungsrat. Darüber hinaus betreibe ich ein Versicherungsbüro der Gothaer Versicherungen, bin Repräsentant bei Portas und habe vor zweieinhalb Jahren mit Golf eine neue sportliche Herausforderung entdeckt, die mich fasziniert.

Über den Straßenfußball bin ich zum SV Biebrich 19 gestoßen und dem Verein mit acht Jahren beigetreten. Jugendleiter Laufer hat mich von Beginn an gefördert. Ich mußte mich in der C-Jugend gegen Spieler durchsetzen, die oft älter und größer waren. Heute weiß ich, daß es von großem Nutzen für mich war, zu lernen, sich zu behaupten. Als 16jähriger wechselte ich mit fünf anderen Spielern zum FV Biebrich 02, da wir bei den 19ern keine Mannschaft mehr stellen konnten. Kurt Klein war bei den Blauen der Initiator und Macher einer tollen A-Jugend. Er hatte ein Team zusammengebastelt, das von Erfolg zu Erfolg eilte. Es war für uns eine wunderbare Zeit. Kurt Klein hat uns zwei einzigartige Jahre beschehrt. Er war besessen vom Fußball, war Ansprechpartner, hatte immer Zeit für uns. Er leitete das Training, er organisierte einfach alles. Wir gingen für ihn durchs Feuer. Kameradschaft hieß unser Zauberwort. In der Saison 61/62 scheiterten in der Hessenmeisterschaft so bekannte Vereine wie Eintracht Frankfurt, Kickers Offenbach und Darmstadt 98, nicht jedoch die A-Jugend von Biebrich 02. Erst in einem tollen Finale unterlagen wir Hessen Kassel schließlich nur knapp. Der Vater aller Erfolge: Kurt Klein. Ich möchte mich hier auch bei seiner Frau Wilma bedanken, ohne deren Unterstützung vieles nicht möglich gewesen wäre.

Aus dieser erfolgreichen A-Jugend schafften mit mir noch vier Spieler den Sprung in die Hessenliga-Mannschaft. Fünf 18jährige in eine Mannschaft einzubauen, dazu braucht man Mut. Heinz Przybilla hatte diesen Mut. Er hatte außerdem Fußballverstand, Durchblick und Autorität. Als Trainer war er echt super und nicht umsonst für uns alle der Chef. Ich verdanke ihm sehr viel. Er hat mich gefördert, mir auch schwächere Spiele zugestanden und mir nie den Spaß am Fußball genommen. Er hat fünf junge Spieler in eine intakte Mannschaft integriert und mir die Möglichkeit gegeben, fußballerisch zu reifen. Die älteren Spieler um Kapitän Willi Peukmann halfen uns, wo sie konnten – und es wurden drei Super-Jahre.

Meine Zeit bei Biebrich 02 war für mich in der Tat ein Glücksfall. Es stimmte einfach alles. Ich hatte immer das Gefühl, daß ich von Leuten umgeben war, auf die man sich verlassen konnte. Angefangen bei Horst und Inge Seilberger, zu denen ich heute noch ein prima Verhältnis habe, über Jule Jung, den Zeugwart, der alles im Griff hatte, bis zu Horst Klee, der schon damals viele nützliche Dinge für die Blauen tat. Paradebeispiel des 02-Funkionärs aber war der Spielausschuß-Vorsitzende Günher Seilberger. Er sprach die Sprache der Spieler, er konnte begeistern. Was er sagte hatte Hand und Fuß, man konnte ihm vertrauen. Leute seines Schlages würden heute jedem Verein gut zu Gesicht stehen. Auch Günther Seilberger herzlichen Dank.

Es fiel mir nicht leicht, diesen Verein und dieses intakte Umfeld zu verlassen. Auf unseren Anhang waren wir stolz. Die anderen Vereine schielten neidisch nach Biebrich. Gegen Germania Wiesbaden, den SVW, Kastel 06, Opel Rüsselsheim, und Darmstadt 98 sorgten zwischen vier- und siebentausend Zuschauer für gewaltige Kulissen und eine gute Atmosphäre.

Nach sieben Länderpokalspielen für Hessen und einem Amateur-Länderspiel erhielt ich ein Angebot von Eintracht Frankfurt. Horst Klee und ich trafen uns mit dem damaligen Präsidenten Rudi Gramlich. Wir einigten uns, und der Vertrag war perfekt.

Danach habe ich auch bei Eintracht Frankfurt 15 erfolgreiche Jahre erlebt, davon elf als Kapitän. Die fünf Jahre bei den Blauen haben bei mir jedoch einen besonderen Stellenwert. Nochmals Dank an alle, die mich in dieser Zeit unterstütz haben und mir behilflich waren.

Jürgen Grabowski